TU Wien:Technik und Gender, Grundlagenvorlesung für IngenieurwissenschafterInnen VO (Knoll)/Zusammenfassung des Buchs "Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften"

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Das Buch "Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften" von Bente Knoll und Brigitte Ratzer bildet den Stoff für die Prüfung. Die folgende Zusammenfassung versucht die doch umfangreiche Materie (über 200 Seiten) stichwortartig abzudecken. Für die Prüfung sollte das Buch selbst wahrscheinlich trotzdem zumindest einmal gelesen werden, die Zusammenfassung ist eher als Übersicht gedacht. Es gibt keine Garantie für Vollständigkeit und Fehlerfreiheit (eher im Gegenteil!). Eine gute Note sollte aber drinnen sein, wenn man alles hier beschriebene gut lernt.

Zukünftige StudentInnen seien motiviert, die Zusammenfassung zu ergänzen und zu korrigieren!

Der kleine Unterschied[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kindheit und Sozialisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Sozialisation": Vorgänge, die ein Individuum zu einem aktiven Teil von Gesellschaft und Kultur machen.

Schon Babys werden mit "männlichen" (groß, stark) und "weiblichen" (lieb, herzig) Eigenschaften beschrieben (selbst, wenn man Testpersonen das falsche Geschlecht sagt). Bei Buben wird mehr Autonomie, bei Mädchen Anpassung gefordert.

Die Männerforschung zeigt, dass Buben großen Druck ausgesetzt sind, typisch männlichen Konzepten wie Kraft, Gewalt, Rationalität und Kontrolle zu entsprechen, was zu psychischen Problemen führen kann.

Schulzeit und Naturwissenschaftlicher Unterricht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Interessen von Jungen (Technik, Macht, Herrschaft, Kontrolle und Wettbewerb) werden besonders in höheren Schulstufen eher berücksichtigt als die von Mädchen (Mensch, Umwelt, Natur, Gesundheit und Zukunftsfragen). Bei Jungen belohnen Lehrer Leistung und bestrafen Disziplinverstöße, bei Mädchen wird eher schlechte Leistung bestraft und gutes Verhalten belohnt.

Die soziale Förderung (besonders empathisches Verhalten, also die Fähigkeit Sichtweisen anderer zu übernehmen) von Burschen ist für die Gleichberechtigung wichtig, da sie sonst alle Aufmerksamkeit bekommen.

Bildung und Arbeitsmarkt Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frauen verdienen noch immer deutlich weniger als Männer, selbst wenn alle anderen Faktoren berücksichtigt werden (in einer Studie in 10 Jahren ca. 70.000 Euro). Frauen sind auch eher teilzeitbeschäftigt (40%, bei Männern nur 6%), vor allem aus familiären Gründen.

Geschlechter als Konstrukte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

“sex”/“gender”: Im Englischen wird der Begriff Geschlecht zwischen “sex” (biologisch) und “gender” (gesellschaftlich) unterschieden, im Deutschen gibt es so eine Unterscheidung nicht.

"doing gender:" Mit “doing gender” ist die Geschlechterbildung aus alltäglicher Interaktion gemeint. Das heisst, es ergibt sich nicht aus rein biologischen oder rein erzieherischen Faktoren sondern orientiert sich am Wissen, wie sich “Mann” oder “Frau” zu verhalten hat. Es ist also ein gesellschaftlicher Prozess der sich ständig wandeln kann.

Gender Gap, Glass Ceiling, Leaky Pipeline[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

“Glass Ceiling”: Die meisten Frauen stoßen trotz gleicher Qualifikation in ihrer Karriere auf eine unsichtbare Barriere, die sogenannte “gläserne Decke” (“glass ceiling”).

“Glass Ceiling Index”: Von der EU Entwickelter Indikator, der die Wahrscheinlichkeit von Frauen, Führungspositionen zu erreichen im Vergleich zu Männern beschreibt. 1 wäre Chancengleichheit, je höher er ist, desto stärker der “glass ceiling”. EU-Schnitt 2.1, in Österreich 2.7.

“Leaky Pipeline”: Das Phänomen, dass Frauen in höheren Positionen eher aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich ausscheiden.

Gender Gap in Technisch-Ingenieurwissenschaftlichen Universitäten in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während in anderen Studienrichtungen (Geisteswissenschaften, Kunst, Landwirtschaft, Veterinärmedizin, Sozial-/Wirtschafts- und Rechtswissenschaften) der Anteil von Frauen eher ausgeglichen (und selten sogar höher ist) liegt im technisch-ingenieurwissenschaftlichen Bereich die Frauenquote bei ca. 15-30%, manchmal sogar weit darunter!

Je höher die Bildungsstufe (z.B. Doktorat), desto geringer wird der Frauenanteil. Anzahl der Professorinnen im technischen Bereich sehr gering (nur 16.5% der ProfessorInnen an der TU Wien sind weiblich).

Gender Gap in Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Europa-weiten Bereich sieht die Situation kaum besser aus, allerdings gibt es von Land zu Land Unterschiede.

Publikation "She Figures":

  • In Europa 29% Forscherinnen
  • Nur 15% der höchsten akademischen Ausbildungsstufe (Doktorat) Frauen
  • Höchster Gender Gap bei höheren Positionen in Technik- und Ingenieurswissenschaften: Frauenanteil 5.9%

Gender Gap International[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt international große Schwankungen in der Verteilung der Studienrichtungen, das legt nahe, dass die Gründe dafür eher politisch, ökonomisch und kulturell sind als biologisch.

Glass Ceiling und Leaky Pipeline – Ursachenforschung und Erklärungsansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beobachtungen:

  • Frauenanteile schwanken zwischen den Universitäten eines Staates.
  • Hoher Frauenanteil an Studierenden und hoher Frauenanteil an wissenschaftlichen Personal lassen nicht aufeinander schließen.
  • Der Frauenanteil divergiert innerhalb technisch-ingenieurwissenschaftlicher Disziplinen je nach Spezialisierung.
  • Es herrscht auch ein Maß an “Geschlechterstratifizierung”, also der Geschlechtertrennung in stereotype Rollen einer Gesellschaft

Es gibt nicht nur “einen” Ansatz sondern viele.

Image/Status[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Berufsbilder: Das Bild des “Nerds” herrscht nicht in allen Ländern gleich, gilt aber bei uns noch immer und damit auch, dass technische Interessen typisch “männlich” sind. Soft Skills werden zu wenig berücksichtigt, obwohl das nicht der Berufsrealität entspricht.

Fehlende Informationen über technische Ausbildungen, Studiengänge und Berufsmöglichkeiten: Vielen Mädchen werden die Berufe nicht nahe gebracht und werden statt dessen von Freundinnen/Müttern/usw. auf klassische Frauenberufe gebracht.

Existenz von historischen weiblichen Vorbildern: Die Existenz historischer “role models” hat großen Einfluss auf den Gender Gap in den Naturwissenschaftlichen (z.B. Laura Bassi, Marie Curie).

Unterschiede in der Bezahlung von IngenieurInnen bzw. von UniversitätslehrerInnen: International ist das Ansehen und das Gehalt dieser Berufe (z.B. Physikerin in Portugal, Universitätslehrer in der Türkei) geringer, sie gelten als “schöngeistige Frauenfächer” (wie bei uns etwa die Germanistik).

Technische und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes: “Braindrain”, also das Abwandern besonders qualifizierter Fachkräfte führt zu Verlusten. Zu hohe Studienkosten führen zu einem Abbruch.

Familienstand und damit verbundene Verpflichtungen: In Indien ist die universitäre Ausbildung noch immer den ehelichen Pflichten der Frau hinten nachgestellt. In Frankreich ist die Situation sehr gut, da es sehr viele Kinderbetreuungsstätten gibt.

Naturwissenschaftlich-technische Vorbildung: Positiv wirkt sich verpflichtender Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht an höheren Schulen aus. Auch Absolventinnen reiner Mädchenschulen haben später bessere Universitätsbildung als solche von gemischt-geschlechtlich geführten Schulen!

Sozialisation / Vorerfahrungen / Zuschreibungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt keine Hinweise auf Unterschiede in der allgemeinen Intelligenz von Frauen und Männern. Allerdings gibt es in Teilbereichen Unterschiede, etwa höhere Werte bei Frauen zu verbalen Aufgaben oder höhere Werte zu räumlichen Aufgaben bei Männern.

Eine bessere Eignung für Germanistik/Ingenieurwissenschaften kann daraus aber nicht geschlossen werden. Auch die Zuordnung von verbaler Begabung (Frauen) und mathematischer Begabung (Männer) löst sich in Sub-Tests wieder auf, da beide Geschlechter dort unterschiedliche Stärken und Schwächen zeigen. Die kognitiven Unterschiede sind also kein hinreichender Grund für weniger Frauen in Technik und Naturwissenschaft.

Der Grund ist eher in „Stereotypen“ – also simplifizierte Wahrnehmungsbildern – zu finden, die zu selbst-erfüllenden Prophezeiungen führen können. Es werden die eigenen Kompetenzen in diesen Rahmen gemessen. Oft wollen Mädchen deshalb keine „unweiblichen“ Fächer wählen.

„Frauen haben kein Interesse an Technik“: Innerhalb eines Fachs kann es Themengebiete geben, die unterschiedlich attraktiv für Frauen und Männer sind (z.B. Physik: Elektronik eher für Männer, Naturphänomene eher für Frauen). Inzwischen gibt es ein Umdenken von „warum haben Frauen kein Interesse“ zu „warum sind diese Fächer unattraktiv für Frauen“. Eine Strukturveränderung kann die Attraktivität der Fächer sowohl für Frauen als auch für Männer steigern. In Indien ist dieser Unterschied in Mathematik und Physik nicht verbreitet.

„Frauen sind nicht kompetent in der Technik”: Frauen müssen ihre Kompetenz eher beweisen als Männer (laut einer Studie, durch zweieinhalb-fache Leistung).

„Frauen und Technik ist was Besonderes” (Exotinnen-Status): Der Minderheitenstatus führt zu höherer Sichtbarkeit, Polarisierung und doppelter Beweislast. Oft steht deshalb entweder Technikkompetenz oder Weiblichkeit auf dem Spiel.

Zur Situation von Studentinnen an Technischen Universitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

“Token”: Personen, die in einer Gruppe eine extreme numerischen Minderheit darstellen.

Drei zentrale Aspekte des Token-Konzepts:

Visibilität: Frauen sind durch ihren “Exotinnenstatus” besonders sichtbar und werden daher eher beobachtet. Dies führt zu höheren Leistungsdruck, andererseits dem widersprüchlichen Drang, Leistungen aus Konkurrenzangst zu vermeiden.

Polarisierung: Die dominante Gruppe betont Unterschiede stärker als Gemeinsamkeiten, selbst wenn letztere überwiegen. Dies kann nur entweder akzeptiert oder mit einer einseitigen Anpassung an die dominante Gruppe (auf Kosten der Solidarität mit der eigenen) umgangen werden. Es kommt zu einer Verstärkung der männlich dominierten Kultur.

Assimilation: Die Handlung individueller Frauen wird nur im Kontext der gesamten Geschlechtergruppe “Frau” gesehen, Leistungen werden nur akzeptiert, wenn diese den Stereotypen entsprechen, selbst wenn dies im Gegensatz zu berufsbezogenen Anforderungen steht. Frauen haben wieder nur zwei Möglichkeiten: Die Stereotypen erfüllen oder die Erwartungshaltungen der männlichen, dominanten Gruppe verletzen.

Zur Situation von Ingenieurinnen im Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Selbstständige Ingenieurinnen sind in Österreich stark unterrepräsentiert (3-11%). Im Bereich der Forschung liegt der Wert höher, sinkt aber wieder in den Führungsebenen.

2008 haben nur 5 Männer gegenüber 20 Frauen familienbedingte Karenz in Anspruch genommen.

Homosoziale Kooperation: Mitglieder einer sozialen Gruppe orientieren sich aneinander: Männliche Chefs fördern eher männliche Mitarbeiter; Personalchefs gehen davon aus, dass Frauen „eine Familienpause einlegen“ würden.

Mangelnde Routine und Erfahrung im Umgang mit Fachfrauen: Männliche Verhaltensmuster („auf ein Bier gehen“) schließen Frauen aus. Softskills wie Kommunikationsfähigkeit werden in höheren Managementpositionen oft nicht als besonders erstrebenswert erachtet.

Männliche Normalbiografie: Werte wie ständige Verfügbarkeit und ununterbrochene Berufsbiographie werden vorausgesetzt, dies orientiert sich aber an einem Modell, in dem Ehefrauen alle weiteren Pflichten (zum Beispiel die Kinderbetreuung) übernehmen. "Mythos der Unvereinbarkeit" von Karriere mit einem Familienleben.

Die historische Entwicklung des lngenieurlnnenberufs im deutschsprachigen Raum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt bereits erste Aufzeichnungen aus der Antike von "Architektinnen". Hypatia von Alexandria gilt als erste Mathematikerin, deren Leben dokumentiert wurde. Der Ingenieurbegriff war lange Zeit nicht in definiert.

Kriegshandwerk und Militäringenieurschulen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ursprünge des Ingenieurs liegen im Kriegshandwerk (Befestigungsanlagen, Belagerungswerkzeuge wie Katapulte oder die Chemie von Pulverherstellung). Mit Fachhochschulen im 19. Jahrhundert kam Abtrennung von Kriegshandwerk, Frauen waren damals von höherer Bildung ausgeschlossen.

Ziviles Handwerk, Unternehmertum, Technisches Beamtentum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 18. Jahrhundert kam der Begriff "Zivilingenieur" zur Abgrenzung zum Militär auf. Entwicklung zu Erfinder/Unternehmer. Frauen waren zunächst noch immer von Gewerbeschulen ausgeschlossen (selbst z.B. im Textilbereich, obwohl dort viele Frauen beschäftigt waren). In Wien 1815 "Polytechnisches Institut" (Vorläufer zur TU Wien). Ab 1911 waren Frauen an staatlichen gewerblichen Lehranstalten zugelassen.

Folgen der Industrialisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Entwicklung von Selbstversorgung hin zum Kapitalismus mit Ende des 18. Jahrhunderts führt zur Stabilisierung der Geschlechtertrennung. Der Mann erwirtschaftet das Geld, die Frau bleibt zu hause und kümmert sich um Kind und Ehemann.

Entwicklung der Ingenieurstudien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Zeit der ersten Universitäten (13. Jahrhundert) war Bildung ein Klassenprivileg der mächtigen, was Frauen schon indirekt ausschloss. An vielen Universitäten waren Frauen aber auch gezielt vom Studium ausgeschlossen.

Dies änderte sich erst mit den ersten Frauenrechtsbewegungen Mitte des 19. Jahrhunderts, die auch das Recht auf Bildung umfassten. Erst 1897 (529 Jahre nach der Gründung!) promovierte Gabriele Possanner als erste Frau an der Universität Wien im Fach Medizin. Elise Richter wurde 1921 erste außerordentliche Professorin Österreichs (1938 durfte sie auf Grund der Rassengesetze nicht mehr unterrichten, 1943 starb sie im KZ Theresienstadt). Nach zahlreichen absurden Theorien zum Pro- und Contra ("Frauenbildung ist schädlich für die Gesundheit der Nachkommen") und Übergangsbestimmungen ("Samstags von 2 bis 4 "Mathematik für Damen"") wurde zwischen 1870 und 1894 in fast ganz Europa das Frauenstudium eingeführt, Österreich war hier Nachzügler. Die Schweiz erlaubte schon relativ früh Frauen zu studieren, aber nur für ausländische Studentinnen!

Während der Zeit des Nationalsozialismus galt die "gebildete, kinderlose Frau" als entartet, es wurden zunächst Zulassungsquoten von 10% an den Universitäten eingeführt. In den Kriegsjahren gab es aber einen zunehmenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, es gab plötzlich wieder mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, eine Entwicklung die sich nach dem zweiten Weltkrieg aber wieder legte. In den USA und Großbritannien gründeten Frauen darauf hin "Frauenhochschulen", die zum Teil heute noch als Elitehochschulen gelten.

Diese Entwicklung über hunderte Jahre und die Verdrängung von Wissen über Frauen, die sich trotz dieser Bedingungen durchsetzen konnten, führt zum heutigen, männerdominierten Bild der Universität.

Technik und Gesellschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sozialwissenschaftliche Technikforschung hinterfragt das Bild der "neutralen" Technik, die keinen subjektiven Einflüssen unterliegt.

Technikdeterminismus und Sozialdeterminismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1960ern:

Jacques Ellul: Technik wächst als Selbstläufer aus eigenen Gesetzen, Techniker haben nur bedingt Kontrolle über die Entwicklung.

Jürgen Habermas: Technischer Fortschritt bestimmt Entwicklungen in der Politik.

Technikdeterminismus: Durch folgende Punkte definiert:

  • Technische Entwicklungen entwickeln sich quasi "selbstlaufend" zu immer effizienteren Technologien
  • Technische Entwicklungen sind nicht mehr in menschlicher Kontrolle bzw. nicht Rückgängig zu machen (z.B. Atomenergie)
  • Technische Entwicklungen haben soziale Folgen, bestimmen Politik
  • (alle Ansätze auf Makroebene, daher Staat und Gesellschaft als Ganzes gesehen)

Sozialdeterminismus: Gegenpol zum Technikdeterminismus, Technik ist Mittel der politischen Gestaltung. Technische Dinge haben politische Qualitäten durch Konstruktion und Entwicklung. (Beispiel: Niedrige Autobahnbrücken in New York halten öffentliche Busse ab und damit Schwarze von Long Island fern).

Science and Technology Studies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit den 1980ern:

Wechselwirkung zwischen Technologie und Wissenschaft <-> Gesellschaft, Kultur Politik. Kein einseitiger Technik- oder Sozialdeterminismus mehr!

Unter "Science and Technology Studies" (STS) vereinen sich mehrere Ansätze:

  • SCOT (Social Construction of Technology): Drei Stufen (absolute Flexibilität, eingeschränkte Flexibilität und letztlich Schließmechanismus, in dem sich eine Technologie als "siegreich" herausstellt). Oft nicht linear, viele Misserfolge. Beispiel: Entwicklung des Fahrrads (viele Modelle, Hochräder, Junge Männer lehnten Gummischlauchreifen zuerst als "zu bequem" ab, dann nahmen sie sie aber an da man auch schneller fahren konnte, Frauen durften zum Fahrradfahren erstmals Hosen tragen,...). "Social Shaping" - soziale Formung von Technologien durch alle beteiligten Akteure.
  • ANT (Aktor-Netzwerk Theorie): Menschen und Nichtmenschen sind gleichberechtigte Akteure in Netzwerken, die ein gemeinsames Ziel erreichen wollen. Konvergenz (Entwicklung zu stabilem Netzwerk) und Divergenz (neue Akteure kommen hinzu). Stabile, große Netzwerke werden zur "Black Box" (Alltagstechnologien sind nicht mehr von der Gesellschaft zu trennen). Beispiel: Schienenverkehr (Fahrer, Gäste, Züge, Gleise,...).

Technikfolgenabschätzung und Technikgenese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Technikfolgenabschätzung (TA) ist die Abschätzung aller positiven und negativen Folgen von neuer Technologie (Wirtschaft, Umwelt, spezielle Gruppen,...). Damit politische Gestaltung technischen Fortschritts, Gegenpol zum Technikdeterminismus. In Österreich Institut "ITA" der Akademie der Wissenschaften.

Vorgehen: Technikanalyse (Stand, Entwicklung), Beschreibung der Gesellschaft (Betroffene, Nutzer,...), Folgenabschätzung und Alternativenabschätzung. Daraus entstehen politische Handlungsoptionen.

Beispiele: Verkehr, Abfall, Energiegewinnung.

Technikgenese: Entwicklungsphase zwischen Definition des Problems und einsatzfähigen Prototypen (zeitlich vor TA). z.B. "Leitbilder" (papierloses Büro, künstliche Intelligenz,...).

Technikgeneseforschung: Rückblickend auf Technologieentwicklung. z.B. Durchsetzung von QWERT- statt DVORAK-Tastaturen nur, weil Firmen bereits auf QWERT festgelegt waren (obwohl DVORAK nachgewiesen effizienter ist). Die Technikforschung kann erklären,warum sich eine Technik gegenüber einer anderen durchgesetzt hat.

Technik und Geschlecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frauen und Technik: Ein Missverständnis?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes "Technik" (griech. techne) ist einfach "etwas können". Erst im 18. Jahrhundert wurde der Begriff auf Maschinen und deren Herstellung umgedeutet. Damit wurden "typisch weibliche" Alltagstätigkeiten (Kochen, Handarbeit) ausgeschlossen, was sich mit Aufkommen der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung im Kapitalismus verstärkte. Frauen wurde dadurch von praktischer Erfahrung mit Technik und der Möglichkeit eigener technischer Erfindungen ausgeschlossen.

Feministische Technikkritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1960er Jahren entstand eine technikpessimistische feministische Sichtweise aus der Kritik an Umweltverschmutzung, Profitgier und Militarismus.

Anfang der 90er schreibt Judy Wajemann das Buch "Feminism Confronts Technology" (deutsch. "Feminismus und Technik") in dem sie das "social shaping" von Technologien (Kühlschränke, Verhütungsmittel, Städteplanung, Waffen...) beschreibt.

Technischer Wandel bedeutet die Umgestaltung von Berufen (z.B. Abwertung der Qualifikation für Schreibkräfte im Büro), die Geschlechtertrennung bleibt aber erhalten.

Künstliche Befruchtung wurde ursprünglich als "Befreiung von der Tyrannei der Fortpflanzung" gesehen, später dann wieder als "patriarchale Ausbeutung von Frauenkörpern".

Die Bedienung von Haushaltsgeräten wird nicht als Technikkompetenz wahrgenommen, Zeitersparnisse (wie durch die Waschmaschine) nur anderswo zurück in die Haushaltsarbeit investiert (mehr Kinderbetreuung, größere Hygienestandards).

Städteplanung trennt Heim- und Erwerbsarbeit und damit auch Frauen und Männer, und das bis heute. Verkehrsplanung bevorzugt Autostraßen vor öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei Frauen eher auf letzteres angewiesen sind da sie täglich mehr und unterschiedlichere Wege zurücklegen.

Feministische Positionen: Ein Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liberale feministische Position: Technik wird grundlegend als neutral gesehen, Frauen müssen selbst für bessere Beteiligung sorgen. Fokus auf "Empowerment", also Ermächtigung und Unterstützung von Frauen durch entsprechende Frauenförderung (heute weit verbreitet). Solche Programme alleine bringen aber nicht genug Änderungen. Es wird verlangt, dass Frauen sich verändern und eher an männlichen Verhalten "anpassen" (unemotionaler, konkurrenzfähiger werden, etc), von Männern wird aber kein solches "degendering" verlangt.

Radikalfeministische Position: Die Ansicht, dass patriarchale, Frauen unterdrückende Werte in Gesellschaft und Technologien eingebettet sind (was zu wichtigen Einsichten führte, siehe auch "Technik und Gesellschaft"). Die ökofeministische Position vertritt weiters ökologische Ansätze. Es wird von einem grundsätzlichen, nicht nur sozial gewachsenen Unterschied zwischen Mann und Frau ausgegangen, wobei Frauen Werte wie Pazifismus, Humanismus und Empathie zugeschrieben werden (was aber auch einschränkend ist).

Sozialistisch-feministische Position: Öffentliche und private Sichtweise. Ziel ist die Beseitigung von sowohl ökonomischen als auch kulturellen Benachteiligungen. Beispiel: Die Verlagerung von Produktion in Billiglohnländer, wo vor allem Frauen unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten. In der Privaten Sphäre wird die dezentrale, privatisierte Beschaffenheit von Hausarbeit kritisiert, die die Vorteile von technischen Lösungen (und damit mehr Zeit für Frauen für bezahlte Arbeit) zunichte machen.

Die feministische Technikgestaltungs-Debatte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entwicklung weg von der Defensive zum Handeln: Förderung von Technikkompetenzen, Macht als Konsumentinnen nutzen.

Donna Haraway sagt "Wir alle sind Cyborgs" und meint damit, dass Natur mehr und mehr von nach unseren Interessen gestalteten "Kunstnaturen" ("Cyborgs") verdrängt wird und fordert Frauen auf, sich an diesem Prozess verantwortungsvoll beteiligen.

Den größte Fokus von Autoren bildet die Informationstechnolgie, dieser ist ursprünglich Großteils optimistisch und sieht die neue und offene Struktur des Internets als Chance für positive Entwicklungen (was aber im Kontrast zu konkreten Entwicklungen in der Informationstechnologie stehen kann, zum Beispiel zu stark männerdominierten Computerspiel-Design).

Dimensionen der feministischen Wissenschaftsforschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die feministische Wissenschaftsforschung beschreibt die Folgen des Ausschlusses von Frauen aus der Entwicklung der modernen Wissenschaft in den letzten Jahrhunderten. Evelyn Fox Keller teilt sie in die drei Dimensionen "Woman in Science", "Science of Gender" und "Gender in Science":

Women in Science[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit den 1970er Jahren versuchen Feministinnen die Wissenschaftsgeschichtsschreibung zu korrigieren, indem Biographien von sonst kaum erwähnten Wissenschaftlerinnen dokumentiert werden. Dazu zählen die Chemikerin Rosalind Franklin und der Genetikerin Barbara McClintock (Nobelpreis 1983), im deutschsprachigen Raum die Physikerin Lise Meitner und die Mathematikerin Mileva Maric-Einstein (Ehefrau von Albert Einstein). Seit der Antike bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sind über 500 Wissenschaftlerinnen erfasst.

Aus diesen Erkenntnissen weiß man heute beispielsweise auch, wie wichtig die Rolle von Frauen in der Frühzeit der Computerprogrammierung war (bis in die 1950er Jahre, war "ProgrammiererIn" üblicherweise ein Frauenberuf!).

Science of Gender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Was wird von der Wissenschaft über Geschlecht und Geschlechterdifferenzen gesagt?

Biologisch gesehen, statt zwei Geschlechtern, eher fließender Übergang. Bis ins 18. Jahrhundert herrschte aber sogar ein "Ein-Geschlechts-Modell", in der die Frau lediglich ein "unvollkommener Mann" ist, erst dann wurden zwei Geschlechter unterschieden, daraus entstand letztendlich auch die heutige Form von Geschlechter-Diskriminierung.

Gender in Science[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Welche geschlechterbezogenen Einflüsse wirken auf die wissenschaftliche Methodik und Theorienbildung?

Wissenschaft ist nicht wertneutral, sondern immer subjektiv/politisch. Traditionell männlich dominiert, daher werden weibliche Lebensinteressen und Alltagserfahrungen nicht berücksichtigt.

Technik und Männlichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Raewyn Robert Connell unterscheidet 4 Männlichkeitstypen, wobei der "hegemonialen" Männlichkeit drei Untergruppen entgegengestellt werden:

  • Hegemoniale Männlichkeit: Bestimmende, dominierende Position der Männlichkeit. Über die Zeit veränderlich.
  • Komplizenhafte Männlichkeit: Größte Gruppe, unterstützt hegemoniale Muster zum eigenen Vorteil.
  • Marginalisierte Männlichkeit: Männer, die auf Grund ihrer Klassenzugehörigkeit weniger anerkannt sind (z.B. ethnische Minderheiten).
  • Untergeordnete Männlichkeit: Männer, die unterdrückt werden, weil sie zum Beispiel zu "weiblich" sind und die hegemoniale Männlichkeit untergraben könnten (Homosexuelle in homophober Gesellschaft).

"Scientific Warrior": Ein Verengtes Bild einer berechenbaren, beherrschbaren Natur trifft auf uneingeschränkte "Ausbeutbarkeit" der natürlichen Resourcen.

"Der Mathematische Mann": Natur kann mittels Formeln und Berechnungen beschrieben und manipuliert werden (Ideal ist die Physik).

Technik als Männerkultur: Schwerarbeit in Fabrik wird mit körperlicher Stärke in Verbindung gebracht, gleichzeitig ein militärischer Ursprung. Es gibt aber nicht nur "die Technik" und "die Männer" sondern unterschiedliche Arten/Typen.

Technik Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kommunikation und Medienwissenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Medien leisten einen wichtigen Teil der Konstruktion von Identitäten, sind immer im Kontext von Machtverhältnissen zu sehen. Dominante Diskurse werden als "Wahrheit" gesehen, stereotype Vorstellungen verdichten sich (z.B. die "Hausfrau", die "Mutter", die "Power-Frau").

Laut Johanna Dorer drei überschneidende Entwicklungsphasen der feministischen Kommunikations- und Medienwissenschaften:

  1. Bis in die 1980er-Jahre, durch WissenschaftlerInnen aus nicht-kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen
  2. Ab den 1980er-Jahren greifen KommunikationswissenschaftlerInnen das Thema auf
  3. Ab den 1990er-Jahren entwickelt sich die feministische Kommunikationswissenschaft zu eigener Teildisziplin

Heute Beschäftigung mit unterschiedlichen Themen, von sexistischen Darstellungen in den Medien bis hin zum Journalismus (wo die gleichen Wörter, von Frauen oder Männern gesprochen unterschiedlich interpretiert werden).

Lebensweltliches Umfeld und unterschiedliche Rezeption durch Geschlechter führen zur Bildung von Geschlechteridentität im Sinne von "doing gender".

Selbstbild – Fremdbild[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frauen müssen klassisch "männliche" Eigenschaften (Objektivität, Durchhaltevermögen,...) borgen, Wissenschaftlerinnen galten lange als Ausnahme bzw. wurden nur sehr erfolgreiche erwähnt, was den Leistungsdruck weiter erhöhte.

Familie wird für Männer als Unterstützung, für Frauen als Belastung ("Vereinbarkeit von Familie und Beruf") gesehen.

Auch Kinder haben schon die Vorstellung vom typisch männlichen, "zerstreuten Professor" und das Klischee wird auch zum Beispiel in Filmen aufgegriffen. Buben gelten als technisch kompetent, Mädchen als technisch inkompetent, beides bis zum Beweis des Gegenteils.

Laut Eva Flicker 8 stereotypische Darstellungen von Wissenschaftlerinnen in Filmen:

  1. Wissenschaftlerin ODER Frau: "Alte Jungfer". Ausschließlich an ihrer Arbeit interessiert (1940er).
  2. Wissenschaftlerin mit männlichen Vorbild: Attraktiv, unterstützend. "Die Tochter" (1950er), "die Assistentin" (1960er).
  3. Wissenschaftlerin gegen das Mainstream Establishment: "Die Herbe", teil eines Männerteams (1970er).
  4. Wissenschaftlerin gegen das Malestream Establishment: "Die Gute". Attraktive, junge, emanzipierte Frau (seit den 1980ern).
  5. Wissenschaftlerin zum eigen Vorteil: "Die Durchtriebene". Attraktiv und korrupt (seit den 1980ern).
  6. Innovative Wissenschaftlerin im männlichen Machtapparat: "Die einsame Heldin", (seit den 1990ern).
  7. Wissenschaftlerin im virtuellen Spiel sexualisierter Abenteuer: "Die kluge, schöne Kampfmaschine", von Computerspielen geprägt (seit den 2000ern).
  8. Wissenschaftlerin zwischen Neugier und Besessenheit: "Die Versagerin". Weiterentwicklung der "Durchtriebenen" (seit den 1990ern).

Insgesamt Annäherung an männliche Kollegen, aber die Sexualisierung und Marginalisierung bleibt. Niemals Mütter!

Während es mittlerweile im Fernsehen erfolgreiche Ärztinnen, Anwältinnen und Kommissarinnen gibt, kommen Ingenieurinnen oder Handwerkerinnen kaum vor.

Wenn "Techniker" gesagt wird und "Technikerin" "mitgemeint" wird, verfestigt das das Bild vom "männlichen Techniker".

Ein Blick in die Werbung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christiane Schmerl führte in den 1970ern Studien zur medialen Repräsentation von Frauen in Werbung und fasste diese in 7 Punkten zusammen:

  1. Frau = Sex
  2. Frau = Produkt/Produkt = Frau: Frauen wie Konsumartikel behandelt.
  3. Haushalt = Frau
  4. Typisch Frau! "Weibliche Schwächen" (Tratsch-süchtig, technisch unbeholfen, usw) werden überspitzt.
  5. Kosmetische Zwangsjacken: Permanente Aufforderung sich für Männer schönzumachen
  6. "Emanzipation": "Emanzipation" kann gekauft werden (Auto, Kleidung,...)
  7. Männlicher Zynismus: Die Frau aus der Sicht von Männerwitzen

Sexismus in der Werbung ist auch heute noch allgegenwärtig, wird aber nicht mehr stark thematisiert. Besonders für Kinder prägt Werbung stark das Selbstbild. Es gibt freiwillige Richtlinien, etwa die des Österreichischen Werberates (keine herabwürdigenden, übertrieben sexualisierten oder diskriminierende Darstellungen), allerdings haben diese nur beschränkte Wirkung.

Aktuelle Technikbilder. Oder: Zur Repräsentation von Ingenieurwissenschaft und Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Auswahl von Pressefotos beeinflusst maßgeblich das Bild der Ingenieurwissenschaften (und WissenschaftlerInnen) an technischen Universitäten. Fallbeispiele dafür aus der TU Wien und TU Graz zeigen etwa deutlich das Phänomen der "permanenten Sichtbarkeit" von Technikstudentinnen auf Pressefotos, wie im 2. Kapitel beschrieben. Generell werden überwiegend Maschinen ohne Menschen gezeigt, von den Bildern mit Menschen zeigt nur ein einziges eine Frau.

Technikkulturen: Relation zwischen Gender und technischen Fachkulturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Kultur" kann viele Dinge Beschreiben, darunter Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Erwartungen. Ingenieurskulturen bewegen sich zwischen Wissenschaft und Industrie. Es gibt doppelt so viele Studentinnen in Maschinenbau als in Elektrotechnik, mehr Frauen als Männer brechen technische Studien ab. Warum? Wie kam das Image des "Computer-Nerds" zustande?

Bis Ende der 1980er wurde die Sozialisation von Frauen als Hauptgrund für Ausschlussmechanismen gesehen. Später wurde die Ausbildung eines patriarchalen Systems von Seiten der Universitäten und die hohe Ausrichtung an abstrakt-mathematischen Zügen verantwortlich gemacht.

Die Wurzeln der Ingenieurskultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon früh Gegenüberstellung von Praxis (Erfinden) und Wissenschaft (Ordnen und Regeln), also auch "Gefühl und Vernunft", die bereits Parallelen zur Geschlechtertrennung aufweisen. Es gibt darin aber eine Vielzahl von Konzepten für Technikidentitäten, die auch die Möglichkeit bilden, Geschlechterverhältnisse zu erweitern.

Akademische Fachkulturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es lassen sich rein-akademische und akademisch-industrielle Fachkulturen unterscheiden (dies aber meistens erst nach der Postdoc-Phase). Der akademisch-industrielle Bereich schließt eher Frauen aus. Wichtige Karrierefaktoren sind Übertritte zwischen Universität und Industrie, internationale Mobilität und akademische MentorInnen.

Die Gestaltung der Curricula mit "Studieneingangsphasen" entspricht einem Ausleseverfahren. Besonders theoretisch/mathematisches Wissen wird in den ersten Semestern gefordert, Alternativen wie "problem-based learning" werden abgelehnt. Es herrscht ein harter, männlicher Zugang.

Forschung richtet sich immer mehr an (auch von außerhalb der Universität finanzierten) Geldmitteln.

Ein Projekt zu Forschungskulturen in der Physik beobachtete drei Arbeitskulturen:

  • Herkules-Kultur: Individualistische Kultur, mehr "Berufung" als Beruf. Konkurrenz-orientiert. Geschlecht spielt eine Rolle (männliche Physiker geben den Ton an).
  • Caretaker-Kategorie: Setzt auf sozialverträgliche Zusammenarbeit. Konkurrenzdenken nur zwischen Gruppen. Geschlecht spielt keine Rolle.
  • Worker Bees: Eher "Beruf" als "Berufung", kein Konkurrenzdenken. Geschlecht spielt keine Rolle.

Frauen erzeugen ihre Probleme nicht selbst, männlich geprägte Arbeitskulturen zeigen sich als Ablehnend gegenüber Wissenschaftlerinnen. Die Arbeitskultur muss hinterfragt werden.

Arbeitskulturen – IngenieurInnen in Unternehmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Wendy Faulkner zwei Abweichende Erzählungen was eine "richtige/n" IngenieurIn ausmacht:

  • Eine heterogene Identität, die neben mathematisch-analytischen Tätigkeiten im Berufsalltag vor allem soziale Kompetenz fordert, was in der Ausbildung kaum geübt wurde (obwohl sie näher am eigentlichen Arbeitsalltag ist).
  • Eine technizistische Identität, die Berechenbarkeit und technische Umsetzbarkeit hervorhebt (und dann auch als "praxisbezogen" bezeichnet wird).

Diese haben oft keine scharfen Grenzen und stellen eine Herausforderung für die IngenieurInnen dar, sie verlaufen auch wieder an der Grenze von "typisch Männlichen" und "typisch Weiblichen". Die heterogene Identität ist für Frauen vorteilhafter, die technizistische ist eher "authentisch männlich" (praktisches Handwerk, etc). Frauen müssen sich eher "gender unauthentisch" Anpassen.

Der Report "Women In Science and Technology" der Europäischen Kommission kommt zu dem Schluss, dass technologische Unternehmen historisch bedingt noch immer mehr von Männern geführt werden. Thematisiert wird die "Leaky Pipeline" (das Phänomen, dass mit jedem Schritt auf der Karriereleiter mehr Frauen aus ihrem Beruf aussteigen). Als Grund dafür werden die besonders hohen geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede genannt, die abschreckend wirken. Weitere Punkte sind die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und die Förderung von diverser zusammengesetzten Teams, was bessere Arbeitsergebnisse liefern kann (aber nicht immer muss).

Zur wissenschaftlichen Exzellenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer Meritokratie, einer Leistungsgesellschaft, sollte sich die beste Idee im streng neutralen, wissenschaftlichen Wettbewerb durchsetzen. Die Realität sieht anders aus.

Faktoren wie die Unvereinbarkeit von Leistung und Familie, Ungleichbehandlung in Peer-Review Prozessen und die Unterbewertung von sozialwissenschaftlicher Forschung führen zu geschlechtlicher Ungleichheit. Frauen haben meistens weniger Zeit für das informelle Kontaktknüpfen, was ebenfalls ein wichtiger Auswahlfaktor ist. Ebenso führt die Messung von Leistung an der Anzahl der Publikationen zu einer rein quantitativen Auffassung von Exzellenz. Der Auswahlprozess sollte auch transparenter gemacht werden.

Es herrscht ein männliches Karrieremodell (keine Unterbrechungen oder Nebeninteressen).

Geschlechterpolitische Strategien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bericht der Europäischen Kommission zur Gleichstellung von Frau und Mann 2009:

  • Die Beschäftigungsquote von Frauen nimmt zu, ist aber noch immer unter der von Männern
  • Mehr Frauen als Männer absolvieren ein Universitätsstudium
  • Frauen verdienen pro Arbeitsstunde 17,4% weniger als Männer
  • In wirtschaftlichen und politischen Entscheidungspositionen bilden Frauen noch immer die Minderheit
  • Die Aufteilung von familiären Pflichten ist noch immer ungleich
  • Frauen haben ein größeres Armutsrisiko
  • Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sind überwiegend Frauen, sie sind auch eher von Menschenhandel betroffen

Weiters wird festgestellt, dass hierfür keine biologischen Gründe verantwortlich gemacht werden können, sondern strukturelle, gesellschaftliche.

Die Gleichstellung ist als politischer Auftrag zu sehen.

Gleichstellung und Antidiskriminierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gleichstellung von Frau und Mann ist in der österreichischen Verfassung festgeschrieben. Damit ist gemeint, dass persönliche Fähigkeiten frei entwickelt und Entscheidungen frei getroffen werden können ohne dabei durch strikte Geschlechterrollen eingeschränkt zu sein.

In Österreich seit 1979 Gleichbehandlungsgesetz für ArbeitnehmerInnen (für Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Alter). Beim Zugang zu Gütern oder Dienstleistungen (Geschäft, Restaurant,...) oder Bildung darf ebenfalls nicht diskriminiert werden.

Konsequente Politik der Antidiskriminierung bedeutet gerechte Verteilung von Lebens- und Entwicklungschancen. Kritisiert wird oft die Forderung, dass Frauen sich zur Gleichstellung an männlichen Werten orientieren müssen aber nie umgekehrt. "Gleichheitsdilemma": Die Gleichbehandlung von Ungleichem führt zur Reproduktion von Ungleichheit (zum Beispiel gleiche Behandlung von Studienanfängern und Studienanfängerinnen trotz unterschiedlichen, geschlechtsspezifischen Bildungsverläufen).

Gender Mainstreaming[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gender Mainstreaming ist eine politische Strategie, die die Genderperspektive in alle politischen Entscheidungsprozesse einfließen lässt (auch schon in Planungsprozessen). Sie hat das Ziel, Ungleichheitsstrukturen zu beseitigen und Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Seit den 1990er Jahren Forderung der Vereinten Nationen und der EU. Seit 2000 auch in Österreich konkrete Maßnahmen rechtlich verankert. Gender Mainstreaming ist eine Top-Down Strategie.

Mit "Gender" werden nicht nur Frauen berücksichtigt sondern auch marginalisierte Gruppen wie nicht angepasste Männer. Mit "Mainstreaming" wird gemeint, dass es kein Frauenressort-Thema mehr ist sondern in allen politischen Bereichen berücksichtigt wird (z.B. "neutrale" Dinge wie Technik und Forschung). Organisationen sollen auf struktureller Ebene verändert werden.

Gender Budgeting[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Budgets sind Machtverhältnisse in konkreten Zahlen (und daher gut messbar/vergleichbar!).

Leitfragen:

  • Wie ist die Verteilung von Ausgaben und Einnahmen auf die Geschlechter?
  • Wie wirkt die Haushaltspolitik kurz- und langfristig auf die geschlechtsspezifische Verteilung von Ressourcen?
  • Wie sind die Wirkungen in Bezug auf die bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen und Männern?
  • Wie beeinflusst Haushaltspolitik und Haushaltsplanung die Geschlechterrollen?

Beispiel: Geförderte Sportanlagen werden eher von Männern benutzt.

Gleichstellungsziele für Frauen und Männer:

  • Ökonomische Unabhängigkeit
  • Gerechte zeitliche Ressourcen
  • Selbstbestimmte Lebensgestaltung
  • Teilhabemöglichkeiten an Ökonomie, Gesellschaft, Politik
  • Gewaltfreiheit
  • Entwicklung persönlicher Potentiale

Managing Diversity[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diversity: Neben Geschlecht auch andere Faktoren (wie Umgang mit Behinderten, Homosexuellen, etc) berücksichtigt, geht also weiter als Gender Mainstreaming. Folgende Kerndimensionen:

  • Geschlecht
  • nationale Herkunft, Ethnie
  • soziale Herkunft
  • sexuelle Orientierung
  • Alter
  • geistige und körperliche Fähigkeiten
  • Religion/Weltanschauung

Darüber hinaus andere Dimensionen (z.B. an Universität, die Vielfalt an wissenschaftlichen Themengebieten und Forschungsmethoden). Vielfalt soll ökonomisch und sozial genutzt werden.

Geschlechterspezifischer Sprachgebrauch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritik an "generischen Maskulinum" in der deutschen Sprache ("Ingenieure" soll auch "Ingenieurinnen" einschließen). Forderung nach "Sichtbarmachen" von Frauen in Sprache. In Österreich ist, dank zahlreicher Verordnungen und Richtlinien, der geschlechtergerechte Sprachgebrauch bereits weit verbreitet. "Mitmeinen" ("Der folgende Text meint Männer und Frauen gleichermaßen...") reicht nicht für Geschlechterneutralität, beide Geschlechter müssen explizit genannt werden. Folgende Möglichkeiten:

  • Immer beide nennen ("Ingenieurinnen und Ingenieure")
  • Mit Schrägstrich statt Konjugation ("der/die Antragsstellende")
  • Mit Schrägstrich an Endung ("Ingenieur/in")
  • Mit Binnen-I ("IngenieurIn")
  • Manchmal sinnvoll: Mehrzahl verwenden ("Alle, die...")
  • Manchmal sinnvoll: Geschlechtsneutrale Formen ("die Person", "Studierende")

Integration von Gender in den Ingenieurswissenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich seit den 1990er Jahren "Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen", in Universitätsgesetz von 2002 ist die Gleichbehandlung, Frauenförderung und Geschlechterforschung an allen Österreichischen Universitäten festgesetzt. Daraus Einrichtung entsprechender Stellen (z.B. auch an der TU Wien), an der TU München Professur für "Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften".